Hintergrund des Projekts

Kausalität, Kognition und die Konstitution naturwissenschaftlicher Phänomene

Daniela Bailer-Jones

Die Grundfrage meines Projekts, an die sich dann die Frage nach Kausalität und Kognition anschließt, lautet: Was ist ein Phänomen? Diese Frage motiviert sich u.a. dadurch, dass Naturwissenschaftler in der Regel die Dinge, die sie zum Gegenstand ihres Forschens machen, als Phänomene bezeichnen. Ein Vorteil dieser Bezeichnung scheint zu sein, dass die Natur des zu erforschenden Gegenstandes recht unbestimmt bleibt, denn es kann sich ja bei diesem Gegenstand auch um einen Prozess oder um etwas generell schwer Abgrenzbares handeln, was sich im Allgemeinen ja erst im Lauf der Untersuchung des Phänomens herausstellen kann. Erst seit Bogen und Woodward (1988, 1992) die Unterscheidung zwischen Phänomenen und Daten thematisierten, wurden Phänomene überhaupt zum Diskussionsgegenstand in der Wissenschaftsphilosophie. Daten hängen u.a. von den Zufälligkeiten der Messmethode ab. So muss eine Messung oft mehrfach oder mit verschiedenen Methoden durchgeführt werden, um einen verbindlichen Messwert zu ergeben. Wenn es darum geht, den Schmelzpunkt von Blei festzustellen, dann kann es vorkommen, dass in einer gesamten Messreihe nicht der präzise Wert des Schmelzpunkts von 327 Grad Celsius gemessen wird. Dieser muss mit Hilfe statistischer Methoden, die auf die mit Abweichungen behafteten Messwerte aufbauen, festgestellt werden. Phänomene hingegen sind stabil hinsichtlich verschiedener Untersuchungsergebnisse und –methoden. Nach Bogen und Woodward handelt es sich bei ihnen um natürliche Arten.

Für mich ist der Begriff des Phänomens auch in weiterer Hinsicht untersuchenswürdig, weil mich die Grundfrage umtreibt, wie Menschen bzw. menschliche Naturwissenschafter die sie umgebende Welt (bestehend aus Phänomenen) analysieren und interpretieren, um sich zu ihnen einen intellektuellen Zugang zu verschaffen. Ich verfolge seit längerem die These, dass sie dies tun, indem sie Ausschnitte der Welt – eben Phänomene – modellieren (Bailer-Jones 2000, 2003a). Phänomene sind also der Gegenstand von Modellen, und man muss klären, worum es sich bei ihnen handelt. Durch Modelle werden Phänomene interpretativ beschrieben mit dem Ziel des Verstehens.

Ich beginne mit folgender Annahme: Ein Phänomen ist eine Tatsache oder ein Ereignis in der Natur, auf die man jedoch unter Umständen erst im Forschungsprozess aufmerksam wird. Phänomene können erst dann als Phänomene etabliert werden, wenn sie ein gewisses Forschungsinteresse hervorrufen und Neugier wecken, und wenn vermutet werden kann, dass es sich bei ihnen um einen systematisch interessanten Untersuchungsgegenstand handeln könnte (Bailer-Jones 2004a,b). Mein Beispiel ist der Tanz der Bienen, der zuerst einmal als eine willkürliche Flugbewegung aufgefasst werden mag. Erst wenn ein Forscher, oder schlicht ein Neugieriger, auf die Idee kommt, dass mehr hinter diesen Flugbewegungen von Bienen in bestimmten Situationen stecken könnte, wird dieser Umstand als erforschenswürdig erkannt und kann sich somit zum Phänomen ‚entwickeln‘. Der erste Schritt ist dann, eine Tatsache in der Natur schlicht nur festzustellen (‚wissen, dass’), und ein zweiter, diese Tatsache oder dieses Ereignis auch weiter zu hinterfragen (‚wissen, wie’). Man will den (theoretischen) Hintergrund einer solchen Tatsache kennen lernen und einordnen können, d.h. Forscher wollen sich durch Modellieren intellektuellen Zugang, jenseits des bloßen Feststellens einer Tatsache, verschaffen.

Indem ein Forschungsgegenstand im Lauf seiner Erforschung immer differenzierter modelliert wird, kristallisieren sich auch die Charakteristika heraus, die in der Folge mit einem Phänomen, wie z.B. mit ‚Bienentanz‘, identifiziert werden. Es fallen dabei Entscheidungen, welche Charakteristika wesentlich sind und ein Phänomen ausmachen, und welche als eher zufällig gelten und somit im Rahmen der Modellierungsbemühung ignoriert oder verändert werden dürfen. Diesen Auswahlprozess (‚customizing’ the phenomenon), der zur Etablierung eines Phänomens führt, habe ich anhand von Beispielen ausgeführt. Ein solches Beispiel ist die Ordnung von Präpositionen beim Erwerb von Sprache und räumlichen Vorstellungen bei Kindern (Rohlfing 2002; Bailer-Jones 2003a, Kap. 7). An diesem Beispiel zeigt sich, dass oft selbst das Bemerken eines Phänomens schon einer Forschungsleistung bedarf. Weitere, klassische Beispiele, die ich hinsichtlich der Konstitution von Phänomenen betrachte, sind der Schmelzpunkt von Blei (Nagel (1960/1979, S. 79; Bogen und Woodward 1988) oder die Phlogiston-Debatte im Zusammenhang mit der chemischen Reaktion von Wasser und Eisen zu Eisenoxid und Wasserstoff (Basu 2003).
Bogen und Woodward (1988, 1992) vertreten die These, dass es sich bei Phänomenen um eine natürliche Art handelt, um Tatsachen in der Welt, die unveränderlich sind. Diese Philosophen bewegen sich damit im Rahmen eines wissenschaftlichen Realismus. Der ontologische Status von Phänomenen ist für mein Projekt jedoch zweitrangig. Sicher gibt es einen Zusammenhang zwischen der Art, wie die Natur beschaffen ist und dem Erfolg, den Menschen mit kausalen Erklärungsmustern bei Voraussagen erzielen. Die Welt nach kausalen Mustern zu interpretieren erweist sich, ganz praktisch gesehen, für uns als vorteilhaft. Möglicherweise ist ja das kausale Analysieren natürlicher Phänomene die evolutionäre Antwort auf die Beschaffenheit der Natur. Allerdings erhellt diese ontologische Frage, wie Phänomene in der wissenschaftlichen Praxis etabliert werden. Um letzterer Frage nachzugehen, gilt es, die Perspektive der Forschenden einzunehmen, aus deren Sicht Phänomene im Laufe ihrer Erforschung erst festgestellt werden und sich dann als Phänomene noch verändern können. Dieser Ansatz erlaubt zwar nicht, die Frage nach dem ontologischen Status von Phänomenen zu klären, andererseits ist es jedoch eine Frage, für deren Beantwortung immerhin Untersuchungsansätze formuliert werden können. Entsprechend werde ich anhand eines Fallbeispiels den Prozess des Etablierens eines Phänomens untersuchen.

Mein Beispiel ist die Entdeckung extrasolarer Planeten, die Anfang der 1990er Jahre begann. Während es lange keinen Hinweis darauf gab, dass es in der Galaxis andere Planetensysteme als unser Sonnensystem gibt, existieren inzwischen verschiedene Hinweise auf eine größere Zahl solcher Planetensysteme. Lange galt die Existenz extrasolarer Planeten als wenig wahrscheinlich. Unser Sonnensystem war das einzige Beispiel für ein Planetensystem. Als die ersten Hinweise auf extrasolare Planeten publiziert wurden, überzeugten diese nicht jeden. Erst mit der Zeit und im Lauf der weiteren Erforschung des Phänomens wurde das Phänomen überhaupt als solches akzeptiert. Ich will untersuchen, nach welchen Kriterien und mit welchen Argumenten Astronomen über dieses Phänomen entschieden. Was führte dazu, dass das Phänomen in einer bestimmten Weise etabliert werden konnte? Welche Beobachtungsdaten gelten als relevant und aussagekräftig im Hinblick auf extrasolare Planeten, und unter welchen Umständen konnten alternative Erklärungsansätze für diese Daten aus dem Rennen geschlagen werden? Wie sehr sich dieses Phänomen in kürzester Zeit auch im öffentlichen Bewusstsein eingenistet hat, lässt sich leicht an privaten, reich bebilderten Webseiten wie http://www.exoplaneten.de/ ermessen. Dabei ist klar, dass schon die Beobachtung dieser Phänomene aufwendiger theoretischer Überlegungen und Datenverarbeitung bedürfen. Wir sehen extrasolare Planeten nicht einfach so am Himmel, sondern erst mit Hilfe extrem verfeinerter Beobachtungstechniken.

In meinem Emmy Noether Phase I Projekt 'Repräsentation naturwissenschaftlicher Modelle: Weg zu einem kognitiven Erklärungsansatz' ging es um den Begriff der Repräsentation und was dieser bedeutet, wenn er auf naturwissenschaftliche Modelle angewendet wird. Die Bedingungen, unter denen Modelle Phänomene repräsentieren, habe ich in Bailer-Jones (2003b) analysiert. Häufig sind die Aussagen, die Modelle machen, nur hinsichtlich eines bestimmten Aspekts eines Phänomens oder in Annäherung korrekt. Ziel dieser ‘Kompromisse’ ist zumeist, eine Vereinfachung oder Idealisierung des Modells zu erreichen, damit das Modell von seinen Benutzern besser erfasst werden kann oder besser Computer-implementiertbar ist. Ein weiteres Ziel besteht darin, trotz dieser Vereinfachung und Idealisierung des Modells die wesentlichen Züge eines Phänomens noch angemessen zu repräsentieren, bzw. eben gerade durch das Modell herauszuarbeiten. Es wird natürlich erwartet, dass Modelle nicht im krassen Widerspruch zu den empirischen Kenntnissen über ein Phänomen stehen. Modellbenutzer sind bei diesem Vorgang des Repräsentierens auch insofern involviert, als sie entscheiden, welche Vereinfachungen und Idealisierungen toleriert werden können, ohne dass der Repräsentationsbeziehung aufs Ganze gesehen Abbruch getan wird (Bailer-Jones 2000, 2004a).

Phänomene werden häufig in Form von mechanistischen Erklärungen repräsentiert (Bailer-Jones 2000, vgl. auch 2003a, Kap. 2; Machamer et al. 2000). Dafür muss man zuerst klären, was überhaupt als Mechanismus gelten kann. Ich erwarte, dass mechanistische Erklärungsmuster selbst dort angestrebt werden, wo die Abläufe alles andere als im klassischen Sinne mechanistisch (oder gar kausal – siehe Quantenmechanik) sind. Unter klassischem Mechanismus verstehe ich einen Mechanismus, in dem Bewegung durch ‚Drücken’ und ‚Ziehen’ (push and pull), und zwar aufgrund von direkter Berührung, weitergeleitet wird. Laut meiner These kommt in wissenschaftlichen Erklärungen, auch außerhalb von klassisch mechanistischen Zusammenhängen (noch für die gesamte Physik angenommen in Maxwell 1885) so etwas wie ein verallgemeinertes oder vom klassischen Mechanismusverständnis abstrahiertes Mechanismusverständnis zur Anwendung (Bailer-Jones 2002b, 2003a, Kap. 2). Ein typisches Beispiel für das Spannungsverhältnis zwischen klassischem Mechanismusverständnis und moderner Physik ist die Entwicklung der (nicht-mechanischen) Theorie der Magneto-Elektrodynamik, die James Clerk Maxwell mit Hilfe von mechanischen Modellen entwickelte (‚vortex model‘; Maxwell 1861/1890). Im Zusammenhang mit elektrischen oder magnetischen Feldern fällt ja gerade der Aspekt des Bewegung-Weitergebens durch direkte Berührung weg. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass mechanistische Erklärungsansätze selbst dann dominieren, wenn der Forschungsgegenstand dies nicht nahelegt, z.B. in der Molekularbiologie oder der Neurowissenschaft (Machamer et al. 2000; Craver und Darden 2001 u.v.m.). Dies lässt wiederum vermuten, dass es sich beim Angeben von kausalen bzw. mechanistischen Zusammenhängen um ein dominierendes menschliches Erklärungsmuster handelt.

Ich setze voraus, dass Mechanismen, gleich welcher Definition sie im Detail folgen, kausal analysiert werden können. Bei klassischen Mechanismen, wie einer Dampfmaschine oder einem Fahrrad, lassen sich die kausalen Zusammenhänge relativ leicht beobachten. Jemand übt eine Kraft auf das Pedal eines Fahrrads aus. Beginnt sich die Pedalachse zu drehen, dreht sich auch das Zahnrad um diese Achse, damit die Kette, die über das Zahnrad um die Achse des Rückrades läuft, damit das Rückrad. Der entscheidende Punkt ist hier nicht nur, dass in diesem Mechanismus die Bewegung eines Bestandteils die des nächsten auslöst, es sich also um eine Reihe ineinander verketteter Ereignisse handelt, sondern auch, dass die Bewegungen gleichzeitig (und nur scheinbar nacheinander) stattfinden. ‚Kausal-mechanistisch’ bezieht sich also auf einen Mechanismus, dessen Funktionieren kausale Verbindungen zugrunde liegen. Die Dominanz kausal-mechanistischer Erklärungsmuster kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht ist das zu Erklärende von seiner Natur her tatsächlich kausal zu verstehen. Vielleicht wird aber auch ein nicht eigentlich kausales und nicht eigentlich mechanistisches Phänomen nur in Analogie zu (in möglichst enger Anlehnung an) einen kausalen Mechanismus interpretiert. Entsprechend mag die Suche nach kausal-mechanistischen Erklärungen in erster Linie in den menschlichen Konzeptualisierungsmöglichkeiten begründet sein. Damit kommt auch die Frage auf, wie grundlegend und wie früh kausale Zusammenhänge als zur Welt gehörend wahrgenommen werden – eine Frage, für deren Bearbeitung ich entwicklungspsychologische Untersuchungen heranziehen werde. Während dies eine Teilfrage im Rahmen des Verständnisses und der Analyse von Phänomenen ist, ist es auch eine Frage, die unser Verständnis von Kausalität zutiefst berührt.

Von wissenschaftsphilosophischer Seite favorisiert John Norton (2003) die These, dass es sich bei Ursache und Wirkung nicht um fundamentale Konzepte innerhalb der Wissenschaft handelt. Natürlich hat kausale Begrifflichkeit viele Vorteile, wenn es darum geht, die Welt zu erfassen, jedoch ist es laut Norton nicht die Aufgabe von Wissenschaft, kausale Prinzipien zu entdecken und zu etablieren: "So far our science has failed to support the idea of a principle of causality at the fundamental level (negative thesis); but a causal character can be recovered from the science as looser, folk sciences that obtain in restricted domains (positive thesis)" (Norton 2003, S. 2). Entsprechend gibt es kein durchgängiges a priori Kausalitätsverständnis, gemäß dem alle wissenschaftlichen Inhalte sich anhand von Ursache und Wirkung analysieren lassen. Die Alternative ist, dass unsere konzeptuelle Abhängigkeit von kausalen Konzepten eher mit unserer psychologischen Verfasstheit und unseren bevorzugten Methoden zu tun hat als mit irgendwelchen Grundprinzipien der Natur: "a supposed indispensability or fertility of the notion of causation is at most telling us something about us and does not establish that the world is governed at some fundamental level by a principle of causality" (Norton 2003, S. 7). Genau dieser Unerlässlichkeit des kausalen Begriffsrahmens, die eventuell auf psychologischen Erfordernissen beruht, möchte ich nachgehen.

Norton zeigt anhand eines einfachen Beispiels, einer Kugel, die sich auf dem höchsten Punkt einer Kuppel mit einer bestimmten Form befindet, dass kausale Gesetzmäßigkeiten immer eine Einschränkung auf einen bestimmten Bereich erfordern. Selbst innerhalb der klassischen Mechanik gibt es akausale Ereignisse. Hat die Kuppel die entsprechende Form, kann es sein, dass die Kugel einfach liegen bleibt, es kann aber auch sein, dass sie zu einem nicht spezifizierbaren Zeitpunkt die Kuppel hinunterrollt in eine Richtung, die auch nicht weiter spezifiziert, d.h. kausal erklärt, werden kann. Nicht einmal eine Wahrscheinlichkeit kann für diese Ereignisse angegeben werden. Betrachtet man ein wissenschaftlich analysiertes Ereignis wie dieses, so kann man ihm nicht entnehmen, dass Kausalität zum Wesen der Natur gehöre. Norton schlägt deshalb ein Kausalitätsverständnis vor, das sich im Lauf der Wissenschaftsgeschichte verändert: "We have some idea of what it is to conform to cause and effect, although what that amounts to has changed from epoch to epoch and even person to person” und "in appropriately restricted circumstances our science entails that nature will conform to one or other form of our causal expectations" (Norton 2003, S. 13). Dies soll nicht heißen, Kausalität habe nichts mit der empirischen Wirklichkeit zu tun oder mit der Analyse dieser Wirklichkeit. Beziehungen, die sich kausal interpretieren lassen, finden sich durchaus in der Natur, aber was ‚kausal’ bedeutet, ist nicht von vorne herein immer dasselbe. Dennoch herrscht eine kausale Redeweise in den Naturwissenschaften vor, gemäß der sich Faktoren (z.B. Wärme, Vakuum) so verhalten, als wären sie Ursachen für Prozesse (‚factors constituting phenomena’). Gerade diese Redeweise, die alle Bereiche wissenschaftlichen Interpretierens durchzieht, deutet wiederum auf die alltagspsychologisch so vertraute Präferenz für kausale Zusammenhänge.

Ob eine Bevorzugung kausaler Zusammenhänge (‚causal bias’) angeboren ist, lässt sich nicht leicht klären, doch kann sie schon bei sehr kleinen Kindern festgestellt werden, und nicht erst, wenn diese unzählige Warum-Fragen stellen. Schon drei Monate alte Säuglinge finden heraus, dass sie durch Strampeln ein Mobile in Bewegung setzen können und können sich an diesen Zusammenhang auch erinnern (Rovee-Collier und Hayne 1987). Auch dass Objekte sich berühren müssen, um aufeinander eine Wirkung auszuüben ist schon sechs Monate alten Kindern klar (Leslie und Keeble 1987). Nur wenn ein Objekt ein anderes berührt und dieses auch sofort in Bewegung setzt, scheint ein Ereignis eine ‚Ausrichtung’ zu haben, bei der das eine Objekt der Auslöser und das andere das in Bewegung gesetzte ist. Lässt man dieses Ereignis rückwärts ablaufen, handelt es sich, wie man aufgrund der verstärkten Aufmerksamkeit der Kinder feststellt, um ein anderes Ereignis, denn die Rollen sind vertauscht. Dabei spielt auch die Vorstellung von ‚Handeln’ eine Rolle, dass manche ‚Dinge’ (z.B. eine Hand) aus sich heraus die Kraft haben, sich zu bewegen, und dass andere Dinge (z.B. eine Puppe), nur in Bewegung versetzt werden können (Leslie 1994). Gerade in diesem Zusammenhang wissen Kinder auch durchaus zwischen menschlichem Handeln und mechanischer Aktion zu unterscheiden. Sieben Monate alte Kleinkinder wissen bereits, dass es nur bei unbelebten Dingen auf den Kontakt beim ‚Zusammenstoß’ ankommt, denn belebte Dinge, Menschen, können sich auch aus sich heraus fortbewegen (Spelke, Phillips und Woodward 1995). Gerade wenn es sich um menschliche Akteure handelt, spielt offensichtlich die Zielgerichtetheit des Handelns, die Intention des Akteurs, eine wichtige Rolle. Es geht darum, durch Handeln einen Zielzustand zu erreichen, ausgehend von den bestehenden Gegebenheiten einer Situation (Gergely und Csibra 2003). Zwölf Monate alte Kinder können auch das Ziel einer Handlung erschließen, selbst wenn das Ziel in einem vorgeführten Fall gar nicht erreicht wurde (Meltzoff 1995). Kleinkinder erwarten auch, dass das Ziel auf dem direktesten Weg angesteuert wird (Gergely et al. 1995).

Es gibt also schon sehr früh in der menschlichen Entwicklung Hinweise auf eine ausgeprägte Neigung, die uns umgebenden Phänomene kausal zu analysieren. Gerade damit, dass Wirkungen auch über Entfernungen hin und ohne Berührung ausgeübt werden, wie im Falle der Gravitationskraft, gab es ja auch wissenschaftshistorisch beträchtliche Schwierigkeiten. Auch wenn Kinder zwischen menschlichem und mechanischem Handeln durchaus unterscheiden können, so mag doch das menschliche Handeln auch als Modell dafür dienen, dass durch Handlungen Prozesse verursacht werden können, z.B. wenn ein Kind einen Gegenstand fallen lässt oder schreit, um zu bewirken, dass sich jemand ihm zuwendet. Premack und Premack forcieren gerade diese These, dass das Verständnis psychologischer Ursachen dem Verständnis physischer Ursachen vorangeht: "Although the work of Michotte (1963) concerning the relation between physical objects gives the impression that it is here that the infant is introduced to cause, we suggest that, on the contrary, the infant’s earliest encounter with cause is in the psychological domain and occurs the moment that the infant attributes intention to a goal-directed object” (Premack und Premack 1995, S. 191).

Es schließt sich der Kreis meines Projektes, wenn kausal-mechanistische Erklärungsmuster auch in den Modellen extrasolarer Planeten identifiziert werden können. Das Phänomen extrasolarer Planeten etabliert sich, indem es modelliert wird, und zwar mindestens zum Teil kausal-mechanistisch. Nicht nur sind Modell und Phänomen damit eng aneinander gebunden, sondern das Feststellen und Kennen der kausalen Zusammenhänge trägt dazu bei, Phänomene als solche zu akzeptieren.

Literatur

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Seitenbearbeiter: E-Mail
Letzte Änderung: 21.08.2009