Heidelberger Gadamer-Professur 2007:

 

Eberhard Jüngel (Tübingen)

 

Eberhard Jüngel (geb. 1934 in Magdeburg) gehört zu den bedeutendsten evangelischen Theologen unserer Zeit. Der akademische Lebensweg führte ihn über Naumburg, wo er sein Studium der Theologie aufnahm, nach Berlin, Basel und Zürich. Zuletzt war Jüngel an der Universität Tübingen von 1969 bis zu seiner Emeritierung 2003 Ordinarius für Systematische Theologie und Religionsphilosophie. Neben seiner Lehrtätigkeit war Jüngel Direktor des Tübinger Instituts für Hermeneutik. Von 1987 bis 2005 leitete er als Ephorus das Evangelische Stift Tübingen sowie von 2003 bis 2006 die Evangelische Studiengemeinschaft e.V. in Heidelberg.

Eberhard Jüngel ist Mitglied des Ordens Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste. Er ist Mitglied der Heidelberger wie auch der Norwegischen Akademie der Wissenschaften und gehört der Salzburger Academia Scientiarum et Artium Europaea an. Ferner ist er korrespondierendes Mitglied der Göttiger Akademie der Wissenschaften. Für sein Wirken wurde Jüngel mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern sowie der Landesverdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Jüngel ist Träger zahlreichen Preise (z.B. Karl-Barth-Preis 1986, Predigtpreis 2006), internationaler Auszeichnungen und Ehrendoktorate.

Eberhard Jüngels theologischer Ansatz folgt der theologia crucis. Sie denkt im Tod Christi die Vergänglichkeit Gottes. Ausgehend vom dieser Interpretation des Kreuzesgeschehens, erweist sich das moderne Diktum vom "Tod Gottes", dessen wahrer Bedeutung nach Jüngel vor allem Hegel und Nietzsche auf der Spur waren, als zentraler Glaubensinhalt des Christentums. "Christliche Verkündigung redet vom Geschehen der Einheit Gottes mit dem getöteten Jesus von Nazareth." Das moderne Diktum bedroht entgegen seiner ursprünglichen Intention aber nicht den Gott des Evangeliums, sondern den metaphysischen Gottesgedanken der Philosophie. "Abschied vom "Gott der Philosophen" ist also alles andere als Abschied von der Pflicht, Gott zu denken." Der theologische Abschied vom metaphysisch gedachten Gott ergibt sich notwendig, wenn das Sein Gottes im gekreuzigten Jesus mit negativen Bestimmungen wie Ohnmacht, Vergänglichkeit, ja überhaupt mit dem Nichts vereinigt werden muß. "Die Rede vom Tod Gottes besagt demnach in ihrer Interpretation durch die Verkündigung der Auferstehung Jesu: daß Gott sich auf das Nichts eingelassen hat; […] daß Gott dem Nichts einen Ort im Sein gibt, indem er es in sich aufnimmt." Im Kreuzestod ereignet sich folglich die Widerlegung der parmenideischen Lehre, daß nur das Sein ist und das Nichts nicht ist. In Bestimmungen wie Vollkommenheit, ewiger Präsenz oder Majestät des göttlichen Seins verfehlt das Denken den Gott des Christentums, weil es am Kreuz vorbeidenkt. "Man kann Gott und die Vergänglichkeit nicht zusammendenken, ohne den metaphysisch gedachten Gottesgedanken aufzuheben. Die Vergänglichkeit zersetzt ihn."


 

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Letzte Änderung: 28.05.2014
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