Gadamer-Professur 2004:

Jan Assmann (Heidelberg)

 

Jan Assmann ist einer der einflussreichsten Kultur- und Religionswissenschaftler unserer Zeit. Geboren 1938, studierte er in München, Heidelberg, Paris und Göttingen Ägyptologie, Klassische Archäologie und Gräzistik. Internationale Bekanntheit erlangte Assmann durch seine zahlreichen Gastprofessuren in Paris, Jerusalem und in den USA. Als Mitarbeiter bei archäologischen Forschungen verbrachte er mehrere Jahre in Kairo und Theben. Der seit letztem Jahr emeritierte Heidelberger Ägyptologe wurde für sein fächerübergreifendes Wirken mehrfach ausgezeichnet: Er erhielt den Max-Planck-Forschungspreis (1996), den Deutschen Historikerpreis (1998) und zuletzt den Prix Psyché (2000). Die Theologische Fakultät Münster verlieh ihm die Ehrendoktorwürde.
Methodisch gesehen geht Assmann "gedächtnisgeschichtlich" vor: Aus der privilegierten Perspektive des Altertumsforschers heraus ist sein Projekt, die Geschichte und Kultur des Abendlandes aus historischer Tiefensicht zu beschreiben und zu verstehen. Hierbei geht es ihm vor allem um den geistesgeschichtlich prägenden Sinngehalt, den ein historisches Ereignis in der Überlieferungstradition entfaltet, und nicht um seine realgeschichtliche Faktizität. Die philosophische Hermeneutik Gadamers findet in Assmanns "Gedächtnisgeschichte" eine konkrete, religionsgeschichtliche Ausgestaltung.
In seinem vielschichtigen Denken verbindet er verschiedene Fachrichtungen, u. a. Philosophie und Theologie, Politikwissenschaft und Soziologie, Geschichts- und Altertumswissenschaften. Im Zentrum seiner Arbeiten stehen religionswissenschaftliche Fragen, Geschichtlichkeit und Politik. Viel diskutiert und von zeithistorischer Relevanz ist sein Begriff des "kulturellen Gedächtnisses" und ebenso seine Thesen zur "Mosaischen Unterscheidung", welche in die Religion die Kategorien "Wahrheit" und "Falschheit" einführt. Mit Weitblick und Feingefühl äußert er sich zu Fragen der interkulturellen Toleranz oder der speziell deutschen Erinnerungssituation und bereichert damit den interdisziplinären Diskurs.

In letzter Instanz bedeutet die Mosaische Unterscheidung die Unterscheidung zwischen Gott und Welt und fundiert damit auch die Unterscheidung zwischen Mensch und Welt.

Worum es hier geht, ist die Unvordenklichkeit kultureller Prägungen. Deren zeitliche Tiefe ist schlechthin unauslotbar.

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Letzte Änderung: 28.05.2014